Alles anzeigen / verbergen Startseite

Der Mythos vom Samurai

Einleitung

Originär und einzigartig ist oft die Umschreibung für das Wesen einer Kampfkunst, wenn sie von einem Anhänger erklärt werden soll. Gemeinsame Ursprünge in China, Korea und Japan werden oft verschwiegen. Es ist der Verdienst moderner japanischer Kampfsportarten, daß sich Kampfkünste weltweit verbreiteten. Während über Jahrhunderte enge Verbindungen zwischen Japan und dem Festland bestanden, es gar zur Bildung besser erzogener Japaner gehörte Chinesisch zu können, änderte sich vieles zur Jahrhundertwende. Die chauvinistische Kampagne zur Zeit des japanisch-chinesischen Krieges (1894-1895) mit ihrem maßlosen "Japanismus" unterbrach Japans Verbindung zum Kontinent. Das japanische Imperium wollte den Völkern Asiens seine Gesetze und seine Mode auf dem Gebiet der Kampfkünste diktieren. Die Niederlage im 2.Weltkrieg brachte eine starke Öffnung Japans gegenüber westlichen Industrieländern und ermöglichte den Export japanischer Kampfkünste in verstärktem Umfang. Das Verhältnis zu Japans Nachbarn blieb weiter gespannt, die Kluft zwischen gemeinsamer Herkunft von Kampftechniken und der Verbreitung unter japanischem Markennamen vertiefte sich eher. Die Zeiten japanischen Nationalchauvinismus hatten allerdings auch ihr Gutes: Theorie und Philosophie des Kempo (s.u.) mußten neu ausgearbeitet werden, eine zeitgemäße Fassung erleichterte den Export der Kampfkünste sicher enorm.

Im Zentrum der Entwicklung japanischer Kampfkünste standen die Krieger, Samurai oder Bushi (Shi,Ji) genannt. Ihre Tradition entstand im 8.Jhd, ihre Blütezeit begann im 12.Jhd. mit Errichtung des Shogunats, der Regierung der Samurai-Kaste mit einem obersten Feldherrn, dem Shogun an der Spitze.Von Jiu-Jitsu abgesehen, bildeten sich alle Hauptnormen der Kampfkünste damals heraus. Trotz Einführung der Handfeuerwaffen durch die Portugiesen im 16.Jhd. bevorzugten die Samurai bis ins 19.Jhd. die traditionelle Ausrüstung mit 2 Schwertern, Speer und Bogen.

Die letzten 257 Jahre eines Shogunats regierte die Tokugawa-Dynastie. Die Periode war durch fast völlige Abschließung gegenüber Ausländern, harte Zentralgewalt und eine relativ friedliche Entwicklung bestimmt. Die Samurai hatten außer Paraden und Wachdiensten wenig Aufgaben. Industrialisierung und die Entstehung der städtischen Bougeoisie förderten den ökonomischen Verfall des Samurai-Standes. Mit dem Sieg des Bürgertums 1868 in der Meiji-Revolution (Meiji = Name des Kaisers, "Vollzug vom Ende der Samurai") verloren die Samurai Privilegien und Funktion völlig. Als 1871 das Recht der Samurai, ein Schwert zu tragen aufgehoben wurde, war damit ein Großteil dem dritten Stand gleichgestellt. 1903 gehörten 4,5% der Japaner dem Samurai-Stand an. Es ist somit verständlich, daß viele versuchten, mit ihrer Erziehung einen neuen Broterwerb zu finden: als Lehrer und Meister der Kampfkünste. Im 18.Jhd. bereits entstanden tausende von Bujutsu-Schulen.

Der Samurai-Stand entwickelte seine eigene Kultur über die Jahrhunderte, in denen er wichtige gesellschaftliche Positionen besetzte. Cha-Do ("Der Weg des Teetrinkens"), Ikebana ("Die Kunst des Blumenbindens"), Kalligraphie oder auch das Verfassen von Gedichten waren Kunstfertigkeiten, deren Ausübung von einem Samurai in Vollendung erwartet wurden. Die größten alten Meister der Kampfkunst waren auch gleichzeitig Meister in einer dieser Formen. Damit sind allerdings auch Ähnlichkeiten zu den europäischen Ritterkollegen beschrieben. In ihrer religiös-philosophischen Anschauung vom Zusammenhang zwischen Körper und Geist hatten die Samurai aber einen völlig anderen und engeren Bezug zur Ausbildung ihrer Kampfkünste als das christlich geprägte Abendland. In der taoistisch-buddhistischen Weltanschauung ist ein Leben nur ein Glied in einer unendlichen Kette von Wiedergeburten. Die Samurai hatten eine gleichgültige Einstellung gegenüber dem Tod. Damit waren sie Kämpfern überlegen, die Emotionen und Selbsterhaltungstrieb nur mühsam unterdrücken konnten.

Budo/Bujutsu ("Weg/Kunst des Kriegers")

Wie 'martial arts' ist Budo ein Sammelbegriff für asiatische Kampfkünste und -sportarten (im engeren Sinne aber japanische); im Deutschen kann diese Synthese kriegerischer, kämpferischer und sportlicher Kunst mit keinem Wort treffend wiedergegeben werden.

Der Begriff Budo ist wie Judo, Aikido und Karatedo eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Im alten Japan waren mit Bujutsu (=chin. Wushu = vietn. Vo-Dao = "Kampfkünste") alle Fertigkeiten gemeint, die mit dem Kriegshandwerk in Verbindung standen, (auch Reiten, Schwimmen, das Planen von Schlachten...).

Der Begriff Do in Budo existiert als oberstes Prinzip, der "Weg" des Folgens, der "Pfad", seit uralten Zeiten im religiös-philosophischen Denken des Fernen Ostens und stimmte in allen Formen der chinesischen Wushu oder der japanischen Bujutsu überein. Der Begründer des Judo, Jigoro Kano war der erste moderne Meister der Kampfkünste in Japan, der auf seine Disziplin den Begriff Do (Weg oder Hauptprinzip) anwandte im Gegensatz zum früheren Jutsu (Kunst, Meisterschaft, Methode). Die Unterschiede zwischen Jutsu und Do kann man - mindestens in Bezug auf Japan - als eine weltanschauliche Antinomie zwischen der primären Einstellung zum Anwendungsaspekt, zur äußeren Wirkung einerseits und zur inneren Vervollkommnung, zum Erreichen des ethischen Ideals andererseits ansehen. Die Hinwendung zum auf dem Gebiet buddhistischer Gebote fast vergessenen Wort Do hat viele Ursachen. Da ist die mühsame Suche nach geistigen Werten in der Periode politischer und wissenschaftlich-technischer Veränderungen nach der Meiji-Revolution. Ferner gab es in den Jahren des militanten japanischen Nationalismus das Bestreben, die "erhabene" östliche Moral der "niederen" Moral des Westens gegenüberzustellen.

Die Technik bzw. Kunst des Kampfes, das BuJutsu, bestand vorwiegend in der Beherrschung von Waffen, allem voran dem Schwert, gefolgt von Speer, Hellebarde und Bogen(Ken-, So-, Naginata-, Kyu-Jutsu). Die waffenlosen Künste Jiu-Jitsu, Sumo und Yoroi-Kumi-Uchi (Ringen in Rüstungen) waren zweitrangig, Hilfsmittel für einen "schwarzen Tag". Kein anderes Gebiet des Bujutsu konnte unabhängig vom Kenjutsu (Schwertkampf) existieren, das Schwert wurde als "Seele des Samurai" verehrt. Im Unterschied zu China, Korea und Okinawa gab es in Japan keine Schulen für den reinen Kampf ohne Waffen. Jiu-Jitsu hatte den Charakter eines kombinierten Zweikampfes und wurde selten ohne Waffen ausgeführt. Moderne waffenlose japanische Kampfkünste ohne Anleihen aus dem Technikrepertoire des (asiatischen) Kontinents sind undenkbar.

Kempo (jap. "Lehre/heiliges Gesetz der Faust", "Wissenschaft vom Faustkampf")

Der systematische Komplex von Nahkampfverfahren mit und ohne Waffen wird in Japan Kempo genannt. Dieser Begriff, der im chinesischen mit identischen Schriftzeichen Ch'uan Fa (z.B. Shaolin-Tempelboxen) heißt, steht für die Lehre, den ganzen Komplex einer geistigen und körperlichen Kultur. Kempo ist der Weg zur Realisierung der Einheit vom Mikrokosmos der menschlichen Persönlichkeit und dem Makrokosmos, vom Erreichen einer Harmonie mit der Welt und sich selbst. In China und Japan sowie in Korea und Vietnam besaß der Begriff militärischer Künste einen ganz anderen Sinn als im Westen. Nicht der Sieg über einen Gegner war das Ziel beim Studium des Kempo, sondern der Sieg über sich selbst, die Überwindung der Schwächen und Mängel. Die Schule des Kempo war eine Schule des Lebens.

Es lassen sich u.a. folgende Ursprünge des Kempo unterscheiden:

Der taoistische Stil des Kempo brachte Schulen vom "inneren", "sanften" Stil hervor. Sie stützen sich auf die Entwicklung der energetischen Fähigkeiten des Organismus, auf die Steuerung der Bioenergie des Chi, durch die Nahkampfverfahren um ein Vielfaches verfeinert werden können. Als Gründer der "inneren" Stile gilt der taoistische Mönch Zhang Sanfeng mit seiner "Schule der Vögel und Schlangen". Noch heute gelehrte Varianten des "inneren" Stils sind T'ai-Chi-Ch'uan, Hsing-I und Pa-Kua.

Die buddhistischen Klosterschulen praktizierten den "äußeren" Stil des Kempo. In ihm wurde besonderes Gewicht auf die Kräftigung des Körpers und die Entwicklung der Schnellkrafteigenschaften gelegt, also auf alles, was man heute im Westen mit den Begriffen Kung-Fu und Karate in Verbindung bringt. Als Training zur Steuerung der eigenen Lebensenergie ist in diesem Zusammenhang das Chi-Gong zu nennen. Als einer der wichtigsten Gründer gilt Bodhidharma, ein buddhistischer Mönch aus Indien, der 520 nach China ging und im berühmten Kloster Shaolin in Henan neben der Begründung des Chan-Buddhismus das Kempo nachhaltig beeinflußte.

Sumo das Ringen der Götter

Auch wenn im 20.Jahrhundert Sumo ein Symbol für Japan ist, sind die Ringkampfarten Suboku in China und Shubaku in Korea entstehungsgeschichtlich zu erwähnen. Sie sind dem Sumo hinsichtlich der Schreibweise (Schriftzeichen) und innerem Gehalt verwandt. In Japan hat das Chikarakurabe ("Kräftemessen") mehr als 2000 Jahre Tradition. Um die Jahrtausendwende fand Sumo festen Eingang in das japanische Leben als demokratische Sportart ohne Standesabgrenzungen. In der langen Periode der Herrschaft des Kriegerstandes in Japan wurde Sumo vorwiegend für die praktischen Bedürfnisse der Samurai studiert und eingesetzt. So entstanden auf Grundlage des Sumo neue Zweikampfformen, aus denen schließlich vielfältige Jiu-Jitsu-Stile hervorgingen.

In der Tokugawa-Epoche (1611-1868) wurde Sumo als friedlicher Sport mit insgesamt 72 Grundverfahren weiterentwickelt, Ritual und Regeln stabilisierten sich und blieben bis heute unverändert.

Sumo wird auf ca. 25 qm großen, von Reisstrohmatten umgebenen Podesten ausgetragen. Die Sumo-Meister -Rikishi - haben auf dem Scheitel zu Knoten zusammengebundene Haare und tragen als einzigen Kleidungsgegenstand einen zur Schürze um die Hüfte gebundenen 6m langen Gürtel, den Keshomawashi.

Es siegt derjenige, der den Gegner zwingt, den Boden mit einem beliebigen Körperteil zu berühren - gleichgültig ob Knie, Arm oder Kopf -, oder ihn soweit zu bringen, die Grenzen des Ringes zu verlassen. Schläge und Tritte zu Bauch und Brust sowie Angriffe gegen Gurgel oder Dammgegend sind untersagt.

Obwohl Technik zweifellos auch beim Sumo eine Rolle spielt, behält der Kämpfer mit der größeren Masse gewöhnlich die Oberhand, da Gewichtsklassen gänzlich fehlen. Dies erklärt die unglaubliche Korpulenz der Ringer, die auf ein Durchschnittsgewicht oberhalb 150 kg gemästet werden.

Jiu-Jitsu ("sanfte Kunst")

Als Vorläufer des Jiu-Jitsu (alte Bezeichnung: Yawara) ist Yoroi-Kumi-Uchi zu sehen, der "Zweikampf in Rüstungen". Mit der Entwicklung leichterer Rüstungen im 16.Jhd. verbreiteten sich schmerzhafte Griffe zum Ergreifen und Festhalten des Gegners. Kampfkünste mit Parallelen zum chinesischen Kempo und zu Okinawa-Karate wurden populär. Strenggenommen war jedes Aufblühen der Kampfkünste in Japan das Ergebnis direkter Kontakte mit dem Festland (Korea, China).

In der Tokugawa-Epoche (1611-1868) entstanden Rekordzahlen von über 700 Jiu-Jitsu-Schulen (Ryu = Stil, Schule). Unterschiede bestanden zwischen ihnen in der Einstellung zur Atmung, in den Methoden zur Akkumulation des Ki, in den Grundstellungen und im Überwiegen der einen oder anderen Gruppe von Verfahren - Von Würfen unter Körperbeteiligung, Würfen mit Hilfe von Hebeln, Würgegriffen oder vom Beinwegschlagen mit Heranrollen. Die Gemeinsamkeiten der Schulen überwog die Unterschiede aber.

Bis heute populär in Japan ist Hakkoryu ("Schule der 8 Strahlen"), die in vielem mit der Theorie des Aikido übereinstimmt. Die Technik umfaßt verschiedene schmerzhafte Griffe und Armhebel mit anschließendem Wurf und Festhalten, einige Varianten von Würgegriffen und einen umfangreichen Komplex schockauslösender und lähmender Schläge (Atemi).

Modernes Jiu-Jitsu ist eine Mischung verschiedener Stilrichtungen und stark an der Selbstverteidigung orientiert. Es umfaßt Würfe, Hebel, Transportgriffe und Schlagtechniken wobei Hebel im Zentrum des Geschehens stehen.

Die Schreibweisen Ju bzw. Jiu und Jutsu bzw Jitsu haben ihren Ursprung in der Transliteration der Schriftzeichen. Die erste Ausdrucksweise entspricht eher dem japanischen, die zweite dem chinesischen. Da der Name Ju-Jutsu in der BRD für ein eigenes System okkupiert ist, wurde für das japanische Kampfsystem hier der Ausdruck Jiu-Jitsu gewählt.

Ju-Jutsu ("sanfte Kunst")

1968 entwickeltes deutsches Selbstverteidigungssystem. Eine Kommission damaliger Budo-Experten hat verschiedene Technikelemente der bekannten traditionellen Budo-Künste zu einer modernen und realistischen Selbstverteidigung neu zusammengeführt. Heute gibt es auch hier sportlichen Wettkampf mit Wurf-, Hebel-, Würge-, Faust- und Trittechniken.

Judo ("sanfter Weg") Jigoro Kano

Judo ist heute olympische und somit überwiegend wettkampforientierte Disziplin, wobei traditionelle Werte kaum noch Beachtung finden. Ziel des sportlichen Kampfes ist es, Gegner auf die Matte zu werfen und/oder auf der Matte durch Hebeln, Halten oder Würgen zur Aufgabe zu zwingen. Wettkampf-Judo sieht dem Ringen oft sehr ähnlich.

Jigoro Kano unterscheidet sich durch seinen akademischen Werdegang und ausgeprägten Hang zur Philosophie von anderen Kempo-Meistern. Er war Abkömmling eines Samurai-Clans, studierte in Tokio Humanwissenschaften und bekleidete später hohe Regierungsämter. 1860 geboren, wuchs er in der Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen in Japan auf und konnte zum passenden Zeitpunkt einer Sportart zum Durchbruch verhelfen, die mit den Elementen des Jiu-Jitsu von überholten kriegerischen Traditionen wegführte. Kano studiete die Jiu-Schulen Tenjin-Shinyo-Ryu und Kito-Ryu, von ersterer stammen eher die Grifftechniken (Katame-Waza), von zweiterer die Angriffstechniken (Ate-Waza), die Kano in sein Judo einfügte. Sumo-Techniken spielten bei der Entwicklung von Judo-Würfen eine große Rolle.

1882, als Kano mit dem Kodokan ("Schule zum Studium des Weges") die Schule des Judo begründete, gab es viele Kämpfe zwischen den zahllosen Jiu-Schulen. Gerade das als akademisch verschrieene Judo war oft in solche Kämpfe verwickelt.

Um den "Bandenkriegen" ein Ende zu bereiten, ordnete der Polizeipräfekt 1886 einen Entscheidungskampf zwischen Schulen an, aus der Judo den klaren Sieg hervortrug. Ohne diesen Sieg wäre Judo warscheinlich von der Bildfläche verschwunden, andere Schulen wurden verboten. Judo hingegen wurde an Schulen, zur Ausbildung der Polizei und des Militärs eingesetzt.

Verbliebene Schulen wurden per Dekret verpflichtet, ihren Technikkomplex schriftlich auszuarbeiten. Damit wurde die Grundlage eines Judo geschaffen, das sich weltweit verbreiten konnte. Der technische Komplex der Kodokan-Verfahren war 1887 ausgearbeitet und veröffentlicht. Wie oben beschriebener Entscheidungskampf bereits impliziert, konnte sich Judo ohne seine Nähe zum Jiu-Jitsu wohl kaum durchsetzen. Damalige Kämpfer beschränkten sich nicht auf Ellenbogenhebel oder verzichteten auf Schlagtechniken. Noch heute besteht im Kodokan in Tokio im "combat judo" eine Variante, die dem verbreiteten Judo gegenüber ein sorgfältig gehütetes Repertoire an speziellen Techniken beinhaltet.

Nach Kanos Theorie läßt sich das Hauptprinzip der Durchführung der Judo-Verfahren in Form eines sich im Raum drehenden Kreises oder einer Kugel ausdrücken, bei denen der Mensch gleichsam die bewegliche Achse darstellt. Dabei ist das Atemzentrum Tanden der Schwerpunkt des menschlichen Körpers. Beim Judo beruhen die meisten Würfe auf dem Einsatz von Körper und Hüften. Damit ist die Bedeutung der Körperkraft stärker als bei anderen Kempo-Arten.

Entsprechend der damaligen Zeit fügte Kano in sein System einen Selbstverteidigungsstil ein, das Goshin-Jitsu ("strenger/harter Geist"). Den wichtigsten Teil bildeten Schläge mit Armen und Beinen (Atemi-Waza), deren Verwandtschaft mit aus Okinawa stammenden Karate-Techniken unverkennbar ist. Allerdings sind diese längst nicht so zahlreich und ausgefeilt wie bei ausgesprochenen Schlagsportarten. Goshin-Jitsu enthält keine kreisförmigen Tritte, weniger Blöcke und Stellungen. Die Schlagführung ist eher auf Genauigkeit denn auf Schlagkraft gerichtet. Außer Schlägen gehörten zum Komplex der Selbstverteidigung noch elementare Anwendungsformen von Messer, Stock und Pistole. Goshin-Jitsu ist heute am ehesten über die Goshin-Jitsu-No-Kata bekannt, die 1956 im Kodokan entwickelt wurde.

Kano lehrte seine Dan-Trägern die Kunst, einen Menschen aus posttraumatischen Schockzuständen wieder zu sich zu bringen, das Kappo. Dieser Name ist abgeleitet aus Kuatsu ("das Leben") - der japanischen Akupressur - und dem Wort Ho ("Lehre"). Die Kenntnis des Meridian-Systems der chinesischen Medizin und sensibler Körperpunkte kann zur Heilung, aber auch im Kampf mit schweren Folgen eingesetzt werden. Daher waren bei Kano nur Schüler höherer Ränge zum Kappo zugelassen.

Kano und seine Nachfolger haben die Methode des Judo in allen Einzelheiten ausgearbeitet, und vieles aus ihrer Theorie läßt sich auf andere Kampfsportarten übertragen, da es die Quintessenz des klassischen Kempo darstellt. Einer der wichtigsten Abschnitte des theoretischen Judo ist die Lehre der Körperbewegung, unterteilt in Shintai (Vorwärtsbewegung und Zurückweichen) und Taisabaki (das Manövrieren). Der Begriff des Manövrierens umfaßt sechs Grundthesen über Kopfhaltung, Einsatz der Augen (zusammenkneifen, dem Gegner nicht wie bei Karate in die Augen schauen), Atemkontrolle (bestimmt durch das Tanden), Arbeit des Körpers und der Hüften, Arm- und Beinarbeit.

Zum Programm von Kanos Judo gehören neun Katas, die z.T. dem Jiu-Jitsu entlehnt, z.T. von ihm selbst entwickelt wurden. Die Koshiki No Kata wurde direkt von der Kito-Ryu übernommen. Katas waren am Anfang gleichberechtigt mit dem Randori, dem spielerischen Kampf im Training. Im Laufe seines Lebens wurden für Kano Katas immer mehr zum Kern der Beschäftigung mit Judo, ergänzt durch das Randori.

Kano sah in Judo ein ganzheitliches Erziehungskonzept und schrieb unter dem Pseudonym Kiichi Sai ("Behältnis der Einheit") viele philosophische Abhandlungen zu diesem Thema. Grundprinzipien waren Seriyoku-Zen'yo (Prinzip der maximal wirksamen Anwendung von Körper und Geist) und Jita-Kyoei (Prinzip des gegenseitigen Wohlergehens). Diese Prinzipien übertrug Kano auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge. Jujutsu betreffend erklärte Kano: "Ich betrachte das Jujutsu als die Kunst oder Praxis der wirksamsten Anwendung der geistigen und körperlichen Energie und das Judo als den Weg und das Prinzip dieser Anwendung" (vergl. Budo/ Bujutsu).

Das Elementare des Kampfes sah Kano im Sen - einem geistigen Zustand der eigenen Kraft und Technik. Ein Angreifer durchläuft die Phase des Bonno, einem Zustand der Unentschlossenheit und Unsicherheit. Ein Meister weiß dies zu nutzen über das Gonosen - das Ergreifen der Initiative, in seiner höchsten Form über das Sen No Sen, dem synchronen Gegenschlag.

Der Weg des Judo außerhalb Japans begann erst in diesem Jahrhundert. 1918 wurde mit dem Budokwai London der erste Judo-Club in Europa gegründet. Erst 1956 gab es zum ersten Mal Judo-Weltmeiterschaften und 1961 wurde der Holländer Anton Geesink (heute 10.Dan!) als erster Nicht-Japaner Weltmeister. Noch Anfang der 70er Jahre standen ein paar 100 europäische Kämpfer 1000den japanischen gegenüber, war doch Judo Bestandteil des japanischen Erziehungssystems.

Mit Geesinks Sieg kamen erstmals Impulse in das Judo, die nicht durch das Kodokan bestimmt waren: die Zeit des Griffkampfes (Kumi-Kata) und damit des gezielten Krafttrainings begann. Die Folge war bedauerlicherweise ein konvergieren von Judo und Ringen.

Wenn alle Krafttraining machen, verliert sich natürlich der Vorteil im Kampf. Ein entscheidender Impuls kam Mitte der 70er Jahre von russischen Kämpfern. Mit ihrer Sambo-Tradition verfügten sie über ein im Judo sehr nützliches Repetoir an unorthodoxen Griff- und Wurftechniken. Nach Shota Khabarelli wurde sogar ein Wurf benannt, für den es in der Nomenklatur des Judo keine Bezeichnung gibt. Modernes Wettkampf-Judo entwickelt sich weg von klassischen Würfen, es sind schnelle, kurze Wurfeingänge gefragt, die mit Kodokan-Judo nur noch entfernt zu tun haben.

Sambo ("Selbstschutz ohne Waffen")

Sambo ist eine der faszinierendsten synthetischen Kampfsportarten des 20. Jahrhunderts. Die Fähigkeit, brilliante Teams in Wissenschaft und Forschung zusammenzustellen, war eine der Vorzüge der sozialistischen UDSSR. Über solche Teams ist das heutige Sambo unter Zusammentragung wirksamer Techniken verschiedenster Kempo-Traditionen entstanden. 1923 wurde der Verein Dynamo Moskau gegründet mit dem Ziel, die sowjetische Jugend zu Arbeits- und Verteidigungszwecken zu erziehen. Eine Gruppe machte es sich zur Aufgabe, die traditionellen Kampfformen Rußlands zu studieren, um aus deren Synthese eine neue Kampfkunst zu entwickeln. Den verbreiteten Ring- und (weniger) Faustkampfvarianten wurden Griffe und Hebel asiatischer Kampfkünste angegliedert. Für militärische Zwecke kamen ferner Nahkampftechniken hinzu, mit denen z.B. geräuschloses Töten oder Kämpfen in engen Zellen und Räumen erlernt werden konnte.

Der Name Sambo entstand 1946 als Abkürzung der russischen Umschreibung SAMosaschtschita Bes Orushia - Selbstschutz ohne Waffen. Es kristallisierten sich drei Hauptformen heraus: der sportliche Ringkampf Borba Sambo, der das Wettkampf-Judo stark beeinflußte; der militärische Nahkampf Bojewoje Sambo; das Selbstverteidigungs-Sambo. Sportliches Sambo wurde erst 1966 international anerkannt, zuvor versuchten russische Spitzensportler über Judo Erfolge außerhalb Russlands zu erzielen. Diese waren beträchtlich und beeinflußten das Judo nachhaltig.

Aikido ("Weg der Harmonie der inneren Kraft") Morihei Uyeshiba

Uyeshiba beschäftigte sich zuerst intensiv mit dem Kodokan-Judo - besonders mit den Hebeltechniken, später mit dem Aiki-Jutsu der Daito-Ryu, deren Wurzeln vor die Jahrtausendwende reichen.

Das Geheimnis des Aikido liegt in der Kreisbewegung. Der Ausführende aller Griffe, Blöcke und Würfe von Arm, Bein und Körper folgt immer einer bogenförmigen Trajektorie, zumindest zeitweise und in verschiedenen Richtungen. Die Projektion der Bewegungen in den 3 Dimensionen ergibt deutlich ausgeprägte Konturen einer Kugel oder Spirale. Die Drehbewegung setzt natürlich eine Zentrifugal- und eine Zentripedalkraft in Aktion. Die erste zieht gleichsam den Angreifenden in einen Strudel, die zweite schleudert ihn im richtigen Augenblick längs der Tangente weg. Beim Aikido wird der Gegner fast ausschließlich durch Drehung oder Ausweichen mit Drehung aus dem Gleichgewicht gebracht.

Aikido ist die Anwendung schmerzhafter Griffe und Hebel mit anschließendem Wurf (oder auch Würgen bei Aiki-Jutsu) unter aktivem Einsatz bioenergetischer Möglichkeiten des Organismus. Die relativ einfach zugängliche Philosophie des Aikido ist aus der Verschmelzung von Taoismus, Shintoismus und Zen-Buddhismus hervorgegangen und füllt heute so manchen Dojo mit Esoterikern. Das Nicht-Getrübtsein des Geistes, bei dem das Bewußtsein praktisch ausgeschaltet ist, die Verlagerung des Körperschwerpunktes Tanden nach unten und das Ausströmen des Ki sind die Geheimnise des Meisters.

Im Aikido gibt es keinen Wettkampf, die Beschäftigung mit der Selbstverteidigung ist zweitrangig.

Kung-Fu ("Eine Arbeit gut ausführen")

Ursprüngliche chinesische Form des Karate. Der Begriff Kung-Fu umschreibt im Westen fälschlicherweise die "harten" chinesischen Künste, diese werden dort als Kuo-Shu ("chinesisches Boxen") bzw Tang-Shou ("Hände von Tang" nach der Tang-Dynastie) bezeichnet. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Kara" in Karate war übrigens "das China der Tang-Epoche" und wurde erst durch Funakoshin über ein neues Schriftzeichen zu "Kara"="leer" umgedeutet. Es gibt zahllose Kung-Fu Stile, die manchmal lediglich von einzelnen Meistern gelehrt werden. Bekannt sind die verschiedenen - mehr traditionell orientierten - Tierstile, Shaolin, Wing Tsun, Wing Chun sowie Wu Shu, was dem japanischen Budo entspricht und heute als vermischtes Vorführungsprogramm auf der ganzen Welt gezeigt wird.

Der nördliche Stil des Kung-Fu ist geprägt von weiten offenen Stellungen, fast gestreckten Armen und Beinen, Sprüngen, Wendungen und fließenden Formen. Dabei sind neben den vorherrschenden Schlägen und Kontern auch Würfe und Hebel typisch. Die nördlichen Stile beinhalten viele Formen. Bekanntester Stil ist sicher Shaolin Ch'uan.

Der südliche Stil geht von sicherem Stand, gutem Gleichgewicht und schnellen Angriffen aus, die oft nach dem Prinzip der Gleichzeitigkeit von Angriff und Abwehr erfolgen. Typisch sind hier schnappende Schläge, Ellenbogenstöße, Handkantenschläge und tiefe Tritte. Als wichtiger Stil kann Wing Chun genannt werden.

Als Sprichwort in China gilt "im Norden das Bein, im Süden die Faust". Als Hauptunterschied der Stile kann die Distanz der Kämpfer gesehen werden, die im Norden wesentlich größer ist. Als moderner Kung-Fu Stil sei noch der Stil von Bruce Lee erwähnt: Jeet Kune Do.

Kalarippayat ("Kampfplatztraining")

Indische Version des Kung-Fu und neben diesem eine wahrscheinlich sehr ursprüngliche Form "harter" Kampfkunst. Da Kalarippayat nur auf dem Land ausgeübt wird, stark auf die einzelnen Meister bezogen ist und praktisch nur mündlich überliefert wird, ist diese Kunst weitgehend unbekannt geblieben.

Unterschieden wird ein nördlicher Stil mit hohen Sprüngen und Fußstößen, weiten Ausfallschritten, tiefer Stellung und Schlägen und Blöcken mit fast ausgestreckten Armen sowie ein südlicher Stil mit kreisförmigen Bewegungen, Schlägen und Blöcken mit offener Handfläche, angewinkelten Armen, allgemein viel Bewegungen von Armen, Schulter, Rumpf und weniger der Beine.

Bei Kalarippayat sind Formen wesentlicher Bestandteil des Trainings.

Karate ("Leere Hand", ursprüngl. "Hände von Tang", siehe Kung-Fu)

Das zu den Ryu-Kyu-Inseln gehörende Okinawa war seit dem frühen Mittelalter wichtiger Handelsplatz für Waren aus vielen asiatischen Ländern. Die seit der Tokugawa-Ära zu Japan gehörende Insel war zuvor unter chinesischem Protektorat. Okinawa ist als Schmelztiegel asiatischer Kempo-Stile prädestiniert, die immer wieder überfallene Inselbevölkerung hatte einen hohen Bedarf an Selbstverteidigungstechniken und somit sicher auch eine eigene Kempo-Tradition.

Okinawa war seit dem 15.Jhd. immer wieder mit Waffenverboten belegt, es entwickelte sich zum einen der Kampf mit alltäglichen Gegenständen wie Dreschflegel (Nunchaku) oder ein Hebel zum Drehen von Mühlsteinen (Tonfa); heute als Kobudo (s.dt.) - "kleine Kampfkünste" - kultiviert. Zum anderen wurde das Okinawa-[Kara]te mit unverkennbaren Ähnlichkeiten zum Shaolin Kung Fu als waffenlose Kunst ausgeübt. Dies dürfte der gemeinsame Vorläufer aller japanischen Karate-Varianten sein. Besonderer Nachdruck wurde im Okinawa-Te auf die Kräftigung der Arme und Beine gelegt, weil nur eine im wahrsten Sinne stählerne Faust den Panzer eines Samurai durchschlagen oder seinen Helm zertrümmern konnte.

Zu den ältesten Stilen gehört die Goshin-Ryu, ein geheimes, ehemals nur adligen Erstgeborenen zugängliches System. Dieser Karate-Stil ist u.a. vom Shaolin-Kung-Fu beeinflußt, in seinen Formen finden sich Elemente des Drachen, Tiegers, Kranichs, der Schlange, Gottesanbeterin uvm. Die Verbindung von harten und weichen Elementen, Wurf, Hebel-, Schlag-, Stoß- und Trittechniken sowie den Einsatz von Waffen bestimmen das System. Goshin-Ryu-Karate kann als Vorläufer von Naha-Te, Shorei-Ryu und Shito-Ryu gelten (s.u.). Es beeinflußte weitere Systeme wesentlich, der jetzige Meister Tadashi Shimoda übergab den Stil an seine zwei Schüler K. Kobayashi und Heinz Köhnen.

Ende des 19.Jhd kristallisierten sich zwei Okinawa-Karate-Stile heraus. Der Shorei-Ryu ("Erleuchtete Seele") baute auf traditionellem Okinawa-Te auf und entwickelte vor allem die Körperkraft, die Heftigkeit, die Exaktheit, die Kraft der Arme und Beine, die Standfestigkeit und die Schlagkraft. Im Shorin-Ryu ("Karate im Shaolin-Stil") überwogen subtile Manöver, vorgetäuschte Aktionen, schwankende Bewegungen nach vorn und zurück mit wechselndem Einsatz der Arme und Beine. Alle Gründer des modernen Karate waren Schüler eines Meisters des Shorin-Ryu, Anko Asado, z.B. Gichin Funakoshi.

Das ShoTokan-Karate von Gichin Funakoshi begründete das moderne Karate. Es zeichnet sich durch tiefe, weite Stände, präzise Kata-Ausführung, unkomplizierte Techniken, Schlagkombinationen und schnelle Fußarbeit aus. Es ist als Synthese der Stile Shorin und Shorei, bereichert durch Techniken aus dem alten Shuri-Te zu betrachten. Shodokan-Karate ist die Grundlage des modernen Sportkarate, in dem es sehr unterschiedlichen Wettkampf- und Techniksysteme gibt (Null- bis Vollkontakt-Wettkampf, Kata-Meisterschaften). Es kommen überwiegend Hand- und Arm-, wenige Fußtechniken zum Einsatz.

Eine anderer heute populärer Stil ist Wado-Ryu ("Weg des Friedens") von Hironori Ohtsuka. Hier dominiert ökonomische Technik mit sanften Ausweichverfahren und Blöcken kombiniert mit kräftigen, scharfen Schlägen. Die Schlagkraft wird durch Drehungen von Körper und Hüfte vergrößert.

Heutiges Karate ist schwer zu beschreiben, da neben den erwähnten Richtungen noch etliche andere Stile existieren (z.B. Shito-Ryu, Goju-Ryu, Kyokushinkai). Zwei Tendenzen sind zu beobachten: einerseits der Entwicklung zur Sportdisziplin (z.B. Full Contact, Kick-Boxen), die sich vom eigentlichen Kempo gelöst hat, andererseits dem Wunsch nach Erhalt des "Geist des Budo" unter Ablehnung sportlicher Professionalisierung und Kommerzialisierung. Für diesen Weg steht z.B. Shotokai, oft als Abkömmling des Shotokan bezeichnet. Es ist jedoch der Urtyp von Funakoshis Karate, weiterverfolgt von seinem Schüler Shigeru Egami, wärend Funakoshis Sohn den Shotokan-Stil weiterentwickelte.

Tae Kwon Do ("Weg des Fußes und der Faust") Choi Hong Hi

Koreanische Karate-Variante, bei der erheblich mehr Fußtechniken eingesetzt werden, wodurch eine große körperliche Leistungsfähigkeit (insbesondere Beweglichkeit) von zentraler Bedeutung ist. Olympische Disziplin, demzufolge überwiegend wettkampforientiert. Der Wettkampf wird als Vollkontakt betrieben, wobei eine Schutzausrüstung getragen werden muß.

Hapkido ("Weg der Harmonie von Körper und Geist")

Koreanische Version des Kung-Fu als modernes, waffenloses Selbstverteidigungssystem. Hapkido ist keine Mischung aus anderen Systemen, sondern eine Methode, die wirkungsvolle Würfe, Griffe, Schlag- und Fußtechniken seit sehr langer Zeit (älteste Hapki-Techniken sind ca. 3000 Jahre alt) zu einem komplexen System verbunden hat. Kein Wettkampfsport.

La Boxe Francaise - Savate

Savate wurde im 19. Jhd. begründet. Es besteht aus präzisen Kombinationen von Faust- und Fußtechniken sowie Abwehrschlägen gegen Techniken des Gegners. Es werden leichte Sportschuhe und Fausthandschuhe getragen. Wettkämpfe finden von Null- bis Vollkontakt statt. In Verbindung mit dieser Sportart entwickelte sich die Stockkampfkunst La Canne.

Kick-Boxen

In den USA in den 70er Jahren entstandene Kampfsportart, die vom Karate die Fußtechniken, vom Boxen die Fausttechniken übernommen hat. Kniestöße, Low-Kicks und Ellenbogeneinsatz sind verboten. Wettkämpfe werden unter Vollkontakt ausgeführt.

Capoeira

Capoeira wurde von afrikanischen Sklaven in Brasilien geschaffen. Da deren Hände oft zusammengekettet waren, entwickelten sie vorwiegend Beintechniken. Bei diesem ungewöhnlichen Stil werden aus abgetauchter Stellung wie beim Radschlagen mit den Füßen oder Knöcheln eine Vielzahl schneller Schläge gegen den Gegner geführt. Neben den Kampftechniken sind auch rythmische Bewegung und Musik (Chula) Elemente des Capoeira, weshalb bei Darbietungen Außenstehende zwischen Tanz und Kampf oft nicht unterscheiden können. Wenn ein Kämpfer den anderen dreimal zu Boden bringt - k.o. ist erlaubt - oder ihn aus der kreisförmigen Kampffläche drängt, hat er gewonnen. Capoeira enthält sehr wirksame Selbstverteidigungselemente.

Pankration

Altgriechische Analogie zum Kempo. Nackt ausgeführter Ringkampf, bei dem auch Schläge, Hebel und Würfe erlaubt waren. Es ist nicht auszuschließen, daß Pankration-Techniken über Alexander den Großen nach Indien gelangten und so Einfluß auf das Kempo ausübten.

Hsing-I ("Bedeutung der Bewegungsformen")

Diese ("innere") Kunst ist für Laien mit seiner direkten Konfrontation, seinen Schlägen, Blöcken und Fußstößen von Kung-Fu kaum zu unterscheiden, allenfalls durch die gerundeten Linien des Körpers mit tiefen Stellungen, geschmeidigen Bewegungen und harmonischen Reflexen.

Alte Meister übernahmen das Grundprinzip von Tierbewegungen zur Entwicklung von Verteidigungsstellungen, z.B.: Bär/Greifen, Schwalbe/schnelles Niederstoßen. Abstraktionen der Naturnachahmung ergaben Stellungen der 5 Urelemente als höhere Form des Hsing-I.

Ein ausgebildeter Kämpfer sollte das I, die Absicht oder Intention eines Gegners im voraus erkennen können, um dessen Angriff vorwegzunehmen, zu kontern und ihn mühelos zu besiegen. Ein versierter Kämpfer zeigt weder seine wahren Fertigkeiten (Hsing), noch seine Kampfabsicht I. Diese sind zum natürlichen Bestandteil des Wesens eines Kämpfers geworden, der die vollkommene Harmonie mit der Natur erreicht hat.

Pa-Kua ("Acht Diagramme")

Der Name bezieht sich auf die 8 Trigramme des I-Chings, dem konfuzianischen Buch der Wandlungen mit seinen Deutungen der gesellschaftlich-sozialen Stellung des Fragenden und entspricht 8 Stellungen, der Grundlage dieser Kampfkunst.

Fortlaufende Kreisbewegungen mit Abducken/ Abdrehen des Körpers, schnellen Arm-, Bein und Körperbewegungen vermeiden eine direkte Konfrontation mit dem Gegner, der dann mit um so größerer Vehemenz z.B. von hinten angegriffen werden kann. Schüler lernen nicht nur, in Kreisen zu gehen, sondern auch wie, wann und wo diese Kreise zu modifizieren und dem Bedeutungsinhalt der Trigramme folgend zu konkretem Angriff umzusetzen sind.

Wie bei allen "inneren" Kampfkünsten bleibt bei Pa-Kua das Element des Kämpferischen meist verborgen. Das Training dieser Kunst sieht eher wie ein Tanz mit komplizierten Drehungen und Wendungen aus.

T'ai-Chi-Ch'uan ("Die Faust des höchsten Pols") YinYang

Das bekannte Symbol T'ai-Chi beinhaltet in einem Kreis, der für den Kosmos steht Yang (Licht) und Jin (Dunkel)). Die geschwungene Linie steht für die ewige Bewegung der miteinander verbundenen Elemente und die kleinen Punkte geben an, daß sich auch im Yang Jin befindet und umgekehrt. Das Ganze, das T'ai-Chi, der höchste Pol, meint den höchsten Zustand, in dem sich der Dualismus der Pole aufhebt und ist in vielerlei Hinsicht synonym zu Tao,dem Weg, der Bewegung des Universums, ist aber irgendwie konkreter als dieses.

Während in westlichen Ländern T'ai-Chi-Ch'uan auf eine esoterisch angehauchte Gymnastikform reduziert wird, ist in China die Kombination mit Hsing-I und Pa-Kua üblich, wodurch Schülern die Herkunft als Kampfkunst nicht verborgen bleibt. Die Meister der "inneren" Künste betrachteten T'ai-Chi-Ch'uan als höchste Vollendung der Kampfkunstfertigkeiten. Bei T'ai-Chi-Ch'uan geht es auf jeder Ebene um den Einsatz des Chi, der Lebenskraft, die als ein ähnlich wie Blut im Körper pulsierendes Medium gespeichert und, auf eine bestimmte Stelle konzentriert, als Schlag oder Wurf bzw. zur Aufnahme der Wucht eines Stoßes freigesetzt werden kann. Auch der feste Stand des T'ai-Chi-Meisters ist der Kontrolle des Chi zuzuschreiben.

Die Formen des T'ai-Chi-Ch'uan sind von drei Grundprinzipien bestimmt:

Nachgeben/Ausweichen, wodurch an empfindliche Körperstellen des Gegners gelangt werden kann, während seine Kraft ins Leere läuft.

Nicht-Loslassen ("sticking hands") zur Neutralisierung von Angriffen, auf die mit Hebeln, Haltetechniken oder Druck gegen empfindliche Punkte reagiert werden kann.

Vertreiben/Wegschleudern des Gegners bei eigenem sicherem, festem Stand.

Auf elementarer Ebene ist die äußerste Langsamkeit des T'ai-Chi-Ch'uan eine bewußte Übersteigerung. Im Kampf können mit der Technik der Entspannung Formen mit großer Schnelligkeit, Präzision und innerer Ruhe ausgeführt werden.

Nin-Jitsu/-Po ("Kunst des Versteckens")

Die Ninja waren in Japan eine eigene Kaste der Spione, die sich gegen Geld für schwierige Spionageangelegenheiten (auch Morde) verdingten. Neben waffenlosem Kempo mit typischen, vielfältigen, z.T. sehr hohen Sprüngen und Rollen gehören zu Nin-Jutsu auch Kenntnisse in Waffenkünsten, Strategie und Taktik. Die Vielzahl der Waffen umfaßt Schwert, Stock (Bo), Stab (Jo), Dolch, Shuriken (Wurfsterne) uvm. Zur Ninja-Ausbildung gehörten neben dem Kampf Fertigkeiten wie Schwimmen, Tauchen, Klettern und Reiten.

Kenjutsu/-do ("Weg des Schwertes")

Traditioneller japanischer Schwertkampf, auch als Wettkampfsport mit Rüstung und Bambusschwert betrieben. Kendo als Weg verfolgt nicht nur die Techniken und Taktiken des Schwertkampfes, sondern auch die geistige Ausbildung.

Eine spezielle Schwertkunst ist das Iaido, bei der das kunstgerechte Ziehen des Schwertes (und Töten des gedachten Gegners!) mit echten - meist orginalen Samurai-Waffen – im Vordergrund steht. Die älteste Bezeichnung für Iaido ist Battojutsu. Das heißt wörtlich die „Kunst des Schwertziehens“ und kommt daher, dass das Ziehen und der erste Schnitt eine Bewegung sind. Im Iaido spiegelt sich die Zen-Philosophie wider. Man kämpft nicht gegen einen echten Gegner, sondern man „spiegelt“ sich selbst.

Kendo und Iaido sind zwei spezialisierte (reduzierte) und ritualisierte Teilaspekte des umfangreichen Ursprungs, des Kenjutsu.

Kyu-Do ("Weg des Bogenschießens")

Hochentwickelte Kunst, bei der die militärischen und Wettbewerbsaspekte des Bogenschießens der Konzentration auf den Akt des Spannens, Zielens und Abschießens eines Pfeils untergeordnet sind. Ziel des vom Zen-Buddhismus beeinflußten Kyu-Do ist es, eine Verbindung zwischen dem Geist des Bogenschützen und dem Ziel herzustellen.

Sehr beliebt in Japan ist nach wie vor Yabusame, das Bogenschießen vom gallopierenden Pferd aus

Kobudo ("kleine Kampfkünste")

Durch die seit dem 12. Jhd. auf Okinawa immer wieder verhängten Waffenverbote entstand dort eine Kultur im Kampf mit alltäglichen Gegenständen, die in den Komplex der Hilfsdisziplinen des Karate (s.dt.) aufgenommen wurde. Positionen und Bewegungen entsprechen daher denen des Karate. Heute wird der Umgang mit diesen "Ersatz"-Waffen unter KoBudo zusammengefaßt.

Sai Dolch in Form eines Dreizacks, dreispitzige Gabel, ursprünglich heiliges Machtsymbol des Tantrismus. Der Sai besteht aus einer Metallstange mit schnabelförmigen seitlichen Fortsätzen, die 3 Spitzen sind scharf geschliffen. Die Konstruktion des Sai erlaubte es, stechende und zustoßende Bewegungen mit beiden Enden auszuführen, einen Schwerthieb mit Hilfe der hakenförmigen Fortsätze zu parieren und es zu zerbrechen und ablenkende Blöcke zu stellen, indem man den Dreizack mit den Spitzen zu sich selbst drehte und ihn auf den Unterarm legte. In der Regel trugen die Meister gleich 3 Sai, von denen einer als Wurfwaffe diente, während die beiden anderen zum Fechten benutzt wurden.

Bo / [Yawara-]Jo: ca. 1,80m langer Stock / Kurzstock bzw. Knüppel. Die Bo-Verfahren beruhten auf der Koordination mit Arm- und Beinschlägen und waren zuverlässiges Hilfsmittel beim Zusammentreffen mit einem Samurai. Der Jo wurde sowohl als Einzelwaffe als auch in der paarigen Variante verwendet. Qualität der Stöcke und Technik im Kobudo unterschied sich wesentlich vom Bojutsu / Jojutsu der Samurai-Schulen.

Nunchaku: eine Modifikation des zum Reis dreschen benutzten Dreschflegels, bestehend aus 2 Hartholzstöcken, die mit einer Kette, Leder oder Seidenfäden verbunden waren. Mit dem Nunchaku konnte man vernichtende Schläge versetzen, den Gegner betäuben, Schläge gegen schmerzhafte Punkte ausführen und wirksame Blöcke gegen ein Schwert stellen. Das Hauptprinzip des Bewegungsablaufes mit dem Nunchaku sind Drehungen auf einer achterförmigen Bahn in verschiedenen Ebenen, bisweilen mit Abfangen unter dem Arm oder mit Übergabe von einer Hand in die andere. Dadurch wird rings um den Menschen gleichsam ein Schutzfeld geschaffen, das während des Kampfes ständig existiert und nur im Augenblick eines Schlages aufgehoben wird.

Tonfa (Tuifa): Hebel zum Drehen von Mühlsteinen, bestehend aus einem ca. 50cm langen Hartholz, in dem etwa 15cm vor dem Ende ein senkrecht angesetzter Handgriff inseriert. In der Ausgangsstellung wurde der Handgriff mit der Faust gepackt. Der Stock bot in seiner ganzen Länge Schutz für Unterarm und Handgelenk, die Enden dienten als verlängerte Faust bzw. verlängerter Ellenbogen. Mit diesem Instrument wurde besonderes Gewicht auf Schläge mit Unterarm und Ellenbogen gelegt, was an die chinesische Schule der Gottesanbeterin (TanLan Chuan, Mantis Kung-Fu) erinnerte. Gleichzeitig wurden Schläge durch Drehen des Tonfa um die Handgriffachse ausgeführt oder die Hand beim Zustoßen verlängert, indem man den Stock mit dem verlängerten Ende nach vorn um 180° drehte.

Kama: Bauernsichel in Form eines Papageienschnabels, nur auf der Innenseite geschliffen und am Handgriff mit einer Kette versehen. Die Handhabung erfolgte nach dem Prinzip des "rotierenden Propellers". Die Sichel konnte auch als Wurfwaffe eingesetzt werden.

Suriyin (Suruchin): eine kurze Schnur, an deren Enden Blei- oder Steingewichte befestigt waren. Stammt wohl von einem tantristischen Symbolgegenstand zum Einfangen von Dämonen. Das Suriyin konnte gleichermaßen zum Schlagen nach Art des Morgensterns oder zum "Umschlingen" des Gegners, seiner Arme, seines Kopfes, seiner Beine oder seiner Waffe benutzt werden. Die Basisübungen mit dem Suriyin erinnern an den Gebrauch des Nunchaku.

Südostasiatisches Kempo

Asiatische Kampfsysteme haben sich grob in drei Kulturkreisen entwickelt: Indien und Südostasien, China und Korea sowie Japan. Es gibt Überschneidungen wie Okinawa-Te, insgesamt ist es aber mehr als wahrscheinlich, daß ohnehin in einem ökonomisch, politisch und kulturell immer verflochtenen Gebiet Techniken und ganze Kempotraditionen mit einander in Berührung kamen und sich austauschten. Die Tradition des Kempo betrifft sicher ganz Ostasien, die bei uns weniger bekannten südlichen Formen seien kurz erwähnt.

Thailand: Muai Thai (=Thai-Boxen) ist eine Karate-Variante, bei der im Wettkampf auch Knie- sowie Ellenbogen-Techniken (auch zum Unterleib!) erlaubt sind. Als traditionelle Budo-Kunst ist es allerdings nicht von Bedeutung und wird lediglich als harte Wettkampf-Sportart betrieben. In Laos gibt es einen ähnlichen Kampfsport. Krabi-Krabong wie in Okinawa wurde von thailändischen Bauern in Ermangelung von Waffen der Kampf mit alltäglichen Gegenständen gepflegt. Stock, Stock mit Klinge, ein- und doppelschneidiges Schwert, eine am Unterarm getragene Keule sowie eine Kombination von Speer und Schild sind die wichtigsten 6 Waffenkategorien. Krabi-Krabong kann als Ursprung des Muai-Thai angesehen werden und kennt auch leere Hand Techniken.

Philippinen: Eskrima, Arnis de mano und Kali sind sich ähnliche Kampfkünste, bei denen Stöcke, Schwerter, Dolche und Leere-Hand-Techniken angewandt werden.

Indonesien / Malaysia: Pentjak- / Ber-Silat zeichnen sich durch tänzerischen Charakter aus, Angriffe werden durch Ausweichen und Ableiten der gegnerischen Kraft abgewehrt. Es gibt wie bei Kung-Fu viele Stile, auch Tierstile.

Burma / Kambotscha: burmesisches Boxen ist dem thailändischen ähnlich, hat über 1000 Jahre Tradition und beinhaltet Schläge, Tritte, Ellenbogen- Knie- und Kopfstöße sowie Würfe. Bando (Thiang) ist in beiden Ländern verbreitet, als Waffensystem gibt es Banshei.

Vietnam: Viet vo Dao hat uralte Tradition und beinhaltet neben leere Hand Techniken auch Stock, Dreschflegel, Messer und Kurzschwert. Das System wurde 1938 einheitlich zusammengefaßt. In vielen Ländern wird Viet vo Dao betrieben und konkurriert erfolgreich mit Karate und Kung-Fu.

Taiwan: war traditionell Zufluchtsort chinesischer Boxer, heute lehren dort viele der führenden Meister.


Literatur

Fischer, Dietrich: Was ist Sambo?DDK-Magazin 6/96 und 7/97

Gruber Emil: Budosport in Hessen 2/1995, Hapkido: Harmonie zwischen Körper und Geist.

Köhnen, Heinz: Budo-Enzyklopädie, Eigenverlag, 1997.

Patalon , Andreas: JUDO-Magazin 5/95, Was hat ein Samurai mit Ikebana zu tun?

Siehe auch Quellenangaben


Aikido Goshin-Ryu Ken-Jutsu Pankration Tae Kwon Do
Allgemeines Hapkido Kick-Boxen Pentjak-Silat Tai-Chi
Arnis Hsing-I Kobudo Sai Tanden
Ber-Silat Iai-Do Krabi-Krabong Sambo Tan-Tien
Bo Jiu-Jitsu Kung-Fu Samurai Tao
Boxe Francaise Judo Kyu-Do Savate Thai-Boxen
Budo Ju-Jutsu Meiji-Revolution Shito-Ryu Tokugawa-Dynastie
Bujutsu Kalarippayat Muai Thai Shogunat Tonfa
burmesisches Boxen Kali Naha-Te Shorei-Ryu Viet vo Dao
Bushi Kama Nin-Jitsu Shorin-Ryu Wado-Ryu
Capoeira Karate Nin-Po Shotokan-Karate Wado-Ryu
Chi Kata Nunchaku Sumo Yabusame
Do Kempo Okinawa Suriyin Yawara-Jo
Eskrima Ken-Do Pa-Kua Suruchin